Fanbericht aus Sachsen - Episode II
Von Martin
Als Fußballjünger hat man es nach wie vor nicht
so einfach. „3G“ mit Zuschauerbegrenzung hin, „2G“ her…auch wenn
Meinereiner grundsätzlich ohne Probleme ein Zweitligastadion
betreten könnte, lehne ich das, so wie viele meiner Freunde hier,
ab. „Alle oder keiner!“ ist nicht nur ein Spruch, im Augenblick ist
es unsere Einstellung.
Nachdem ich daher seit Saisonbeginn in den
letzten Wochen ganz viel, mal so zur Abwechslung, in der
Thüringenliga unterwegs war, um den einen oder anderen Bolzplatz
wieder oder neu zu erleben und überdies auch Randsportarten zu
besuchen wusste, war es für mich eher Ansporn als Bremse, als mir
Euer Mitstreiter Tom, der mich Euch seinerzeit „eingebrockt“ hat,
unlängst kundtat, dass es dieses Jahr nichts mehr wird, gemeinsam
nach Pinnow zu fahren. Kurzum gab es einen „WhatsApp-Überfall“ auf
Rick, um mein Erscheinungsfest anzukündigen…man will ja nicht
vollends ungelegen kommen…
Verdammt lang her
1.960 Tage oder 280 Wochen war mein
erster Besuch bei Euch nun schon her. Wurde also mehr als Zeit, ein
Versprechen einzulösen. Und da bekanntlich der Koffer die Reise ist,
war es mir ein Bedürfnis, nach Pinnow mit dem Zug zu tingeln. Ganz
fußballklassisch mit dem „Wochenendticket“, oder wie es jetzt heißt
„Quer-durchs-Land-Ticket“. Ja, es mag verrückt anmuten…aber so bin
ich eben…
Vor lauter Aufregung kaum in Ruhe in die Matratze
horchen gekonnt, ging es kurz vor 08:00 Uhr in Dresden los. Die
Umstiege in Senftenberg und Eberswalde waren noch geschmeidig. In
Angermünde musste ich flitzen, um die von mir und noch keinem hier
genutzte „Niederbarnimer Eisenbahn“ zu erreichen. Als der Zug in
Pinnow ankam, wartete doch tatsächlich ein Abholdienst. Ich wurde
von Rick mit Stürmer Fritz im Vereinsbus zum Sportplatz chauffiert.
Da fühlt man sich schon, kann ich Euch sagen…
"Beregnungsanlage statt
Ablösesummen"
Die Eintrittskarte gekauft, bekam
ich erstmal von Rick eine Vorstellung all des neu Geschaffenen rund
um den, auf dem und sogar im Sportplatz. Es ist nach wie vor alles
schön anzuschauen und ich war nicht minder beeindruckt, dass Ihr
Euer Leitbild, auf Nachhaltigkeit zu setzen, auch weiter in die Tat
umsetzt. Ich zitiere Rick…“Beregnungsanlage statt
Ablösesummen“…Gefällt mir!
Das große "Hallo"
Dann folgte ein
Wiedersehen und Neukennenlernen nach dem anderen, worauf ich mich
seit Tagen richtig dolle gefreut hatte.
Der gute Kevin, der mir
meinen Wunsch nach der Lokalpresse erfüllt hat (Daaaanke nochmal!)
und zeigenderweise versichern konnte, dass meine seinerzeitig
verewigte Grußbotschaft nach wie vor vorhanden und behütet wird (Daaaanke
auch dafür!).
Der „Weiße Brasilianer“. Die Ruhe in Person,
Institution mit und ohne Ordnerweste und immer zu einem Scherz
aufgelegt.
Neucheftrainer „Bocke“, der sich spontan mit mir zum
Auswertungsgetränk nach Abpfiff verabredet hat. Ein ganz feiner
Kerl. Und schon seinerzeit derjenige, der es am längsten mit mir
ausgehalten hat…
„Die Katze von Pinnow“…das legendäre Celtic-Trikot
ist irgendwie abhandengekommen, aber die Flugkünste wurden, ein
wahres, fast schon literarisch anmutendes Gleichnis, vom
mitgebrachten Flugzeug des Nachwuchses in die Gegenwart
transportiert.
Eshagh…ich hoffe, dass die geprellte Rippe langsam
nicht mehr so arg schmerzt. Immer schön kühlen. Von innen und außen…
Die „44“…da passte sogar die Rückennummer zu einem Stück Lebensweg
in Dresden…
Und, ganz wichtig, die liebe Monika. Die Hüterin
des güldenen Gerstensaftes, dieses Mal assistiert von einer jungen
Dame. Gemeinsam macht das Zapfen sicher auch mehr Spaß. Vielen Dank
an Euch Zweibeide! Ich habe mich stets ausgezeichnet versorgt
gefühlt!
Ich kann jetzt unmöglich alle und alles aufzählen. Es würde
den Rahmen sprengen. Die Ungenannten mögen mir daher nicht gram
sein. Beim nächsten Mal…
Vor dem Spiel
Rick offenbarte mir die Aufstellungssorgen für das Spiel.
Verletzungen, Abwesenheiten, Sperren. Da kam gefühlt alles zusammen.
Aber, es fanden sich Spieler der Zweiten, Nachwuchskräfte und Leute,
die schon eine Weile nicht mehr in der Liga gebäbbelt haben, um
einen Kader von dann doch 17 Leuten aufbieten zu können. Wirklich
schön, dass Ihr auch da so zusammenhaltet und Euern Verein nicht im
Stich lasst! Umso wichtiger, als dass dieses Spiel eins von
denjenigen war, das schlussendlich gewonnen werden musste, wenn man
die Klasse halten will.
Minuten vor dem Anpfiff verlas der
gut aufgelegte, gediegen frisierte und äußerst eloquente
Stadionsprecher die Aufstellungen und hatte nebenbei die Lacher auf
seiner Seite, als er die beiden angereisten Anhängerinnen der
Oranienburger bissel mit ins Geschehen einbinden wollte. Es gab
allerdings einen Korb. Schade, Mädels, wärt ihr mal bei den
Stehtischen geblieben! Spätestens nach dem Spiel hätten wir Euch
quasi „pinnowfiziert“…
1. Halbzeit - Moritz (und) der Fußballgott
Dann ging`s los. Und nach nur drei
Minuten gab`s
den
sprichwörtlich erlösenden „Dosenöffner“! Das 1:0
erzielt durch Moritz! Über ihn sollen an dieser Stelle ein paar
gesonderte Worte gesagt werden. Für mich der Spieler der ersten
Halbzeit! Gerackert und gekämpft solange die Kräfte reichten! Stets
auf Augenhöhe des Geschehens! Und teilweise mit der Abgebrühtheit
eines erfahrenen Spielers zu Werke gegangen! Bedenkt man, dass seine
Rückennummer auch sein Alter verrät, ist dies umso beachtlicher!
Weiter so, junger Mann! Es gibt nun glücklicherweise auch einen
Schnappschuss, der seinen Torjubel für die Ewigkeit festhält! Dieses
Bild sagt mehr als Tausend Worte! Sein unbändiger, fast noch
kindlich anmutender Jubel, wie er auf die Trainer zuspringt! Nicht
nur einer der Momente, warum ich Fußball und was er in Menschen
auslöst, so liebe! Viel mehr ein Ausdruck dessen, was für den SV 90
überlebenswichtig ist! Auf die Jugend setzen! Mit ihr in die Zukunft
gehen! Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, es ist das
Weitertragen des Feuers!
Der prompte Ausgleich wurde durch
das 2:1 vom Rekordtorschützen schlechthin Patrick revidiert. Der
Pass, der zur Flanke führte, die wiederum eingenetzt wurde, war
allererste Sahne! Zungenschnalzen! Auch jetzt noch, da ich diese
Zeilen schreibe!
Als dann kurz vorm Pausentee ein Regenbogen hinterm
Sportplatz auftauchte, hab` ich das als Zeichen des Fußballgottes
gedeutet und mir spontan was gewünscht…
2. Halbzeit - 3 Punkte eingetütet
In Halbzeit Zwei fiel erstmal der Ausgleich, was mich zu einem
innerlichen Zwiegespräch mit eben jenem Himmelsbewohner veranlasste.
Scheinbar half es. Zwei vielumjubelte Tore durch Fritz und wiederum
den Rekordtorschützen (noch…Moritz lässt schon mal grüßen) stellten
die Weichen auf den so wichtigen Sieg. Dann doch nochmal der Zittern
verursachende Anschluss…aaaaber, aus meiner Sicht war Pinnow in den
verbleibenden Minuten näher am Vorsprungverteidigen dran, als
Oranienburg noch am Ausgleich geschnuppert hätte.
Als der
erlösende Abpfiff kam, war die Erleichterung allseits zu sehen und
zu hören. Von Rick angestiftet, aber auch weil es mir ein
Herzensbedürfnis und eine fußballehrliche Form der Anerkennung war,
musste ich die Wiese mit stürmen und mit möglichst vielen Spielern
und natürlich auch den Trainern abklatschen! Drei Punkte, die keiner
mehr wegnehmen kann und in der Tabelle dafür sorgten, die „Rote
Laterne“ weiterzureichen!
Einer für Alle - Alle für Einen
Was mir insgesamt
von dem Spiel in mehr als guter Erinnerung bleiben wird, ist, dass
ich eine stets aufopfernd kämpfende Mannschaft gesehen habe. Jeder
ist für jeden gelaufen und hat sich reingehangen. Das WIR war
jederzeit zu erkennen, zu hören und auch am Spielfeldrand zu spüren.
Rückschläge, wie die beiden Ausgleichstreffer, wurden weggesteckt.
Das schafft nur eine Truppe, die homogen ist und in der es stimmt.
Wenn in einer Situation mal eine nicht so optimale Lösung gespielt
wurde (das Wort „Fehler“ zu verwenden, wäre deplatziert und ein
Fehler an sich, wenn man sich überlegt, dass ihr in dieser
Zusammensetzung noch nie gespielt habt und diverse Ausfälle zu
verzeichnen waren), wurde dies umgehend ausgebügelt und
geradegerückt.
Sicher, das wisst ihr genauso wie ich,
ist die Saison noch lang und es werden auch Niederlagen kommen, aber
wenn mit dieser Einstellung, dem Kampfesmut, dem Willen, in jeder
Situation das beste herauszuholen und keinen Ball verloren zu geben,
in die Spiele gegangen wird, bin ich mir sicher, dass die benötigten
Punkte geholt werden, um am Ende über dem berühmten Strich zu
stehen. Ich werde in Gedanken dabei sein, sämtliche Daumen drücken
und die einschlägigen Echtzeitberichterstattungen im Netz aufmerksam
verfolgen.
Expertenrunde
und die "Wurst für'n Weg"
Nachdem einige Spieler, der Cheftrainer und der Abteilungsleiter
Fußball auf der Wechselbank Platz genommen hatten und die
körperliche und mentale Anstrengung des Spiels durch den Genuss von
Hopfenkaltschalen gekonnt abzufedern wussten, wurden diverse
Geschehnisse des Spiels, aber auch das Große und Ganze um den SV 90
Pinnow angeregt und heiter, aber auch auf ganz hohem fachlichen
Niveau ausgewertet und erörtert. Ich fand, dass wir damit eine
bedeutend bessere Figur als so manch teilweise selbsternannte
Experten in sonntäglichen Gesprächsrunden auf den einschlägigen
Fernsehkanälen gemacht haben. Muss auch mal gesagt werden.
Ganz sehr herz`lrührend fand ich, als ich mit den lieben, fast schon
besorgten, Worten, dass ich doch noch so eine lange Reise vor mir
habe, eine Wurst gebracht bekommen habe. Vielen Dank auch dafür!
Küss` die Hand!
Jedem Ende
wohnt ein Anfang inne
Irgendwann kam dann der Moment der Verabschiedung!
Man sagt immer so leicht, dass man gehen soll, wenn es am schönsten
ist. Aber, glaubt mir, ich hätte noch stundenlang mit Euch
fachsimpeln, einfach „bissel blöde quatschen“ und vor allem lachen
können…
Und als sich dann um 18:14 Uhr die Zugtür hinter mir
schloss und ich in der Abenddämmerung Pinnow hinter mir lassen
musste, waren da ganz viel Wehmut und Traurigkeit in mir. Die aber
mittlerweile, mit zwei, drei Tagen Abstand, der Freude und
Dankbarkeit vollkommen gewichen sind. Der Freude und Dankbarkeit
darüber, für eine kleine Ewigkeit in Eurer Mitte geweilt und dabei
so viel Schönes, Spannendes, aber auch Lustiges erlebt haben zu
dürfen.
Bis zum nächsten
Mal
Meine lieben Freunde vom SV 90, ich wünsch`
Euch alles Gute, für jede und jeden Einzelnen persönlich, aber auch
für Euern unfassbar tollen Verein, den Ihr alle gemeinsam ausmacht
und mit dem ich mich wieder ein Stück mehr verbunden fühle! Bleibt
so, wie Ihr seid! Geht Euern Weg, auch wenn er zuweilen steinig sein
mag! Er ist absolut richtig! Auch gerade und vor allem deswegen bin
und bleibe ich mit Euch „Im Herzen vereint“!!!
Und ich werde
nicht wieder 1.960 Tage oder 280 Wochen warten, bis ich wieder bei
Euch auftauche! Versprochen!
(Hier der Bericht vom ersten Besuch in 2016)